Die Landung der „maritimen Delegation“ steht unmittelbar bevor
Mit einem bundesweiten Aktionstag am Sonntag, den 6. Juni 2021 machten die Vorbereitungsinitiativen der „Gira Zapatista – Reise für das Leben“ in über 15 Städten und Regionen Deutschlands auf ihre Mobilisierung für eine ganz besondere Delegationsreise in diesem Sommer aufmerksam. Denn zurzeit segelt eine siebenköpfige Delegation Indigener aus Mexiko, bestehend aus vier Frauen, eineR AndereN und zwei Männern Richtung Europa. Ihr Plan ist es, eine „Invasion“ zu starten, denn sie bilden nur die Vorhut einer indigenen „Offensive“. Demnächst werden rund 160 indigene Delegierte, drei Viertel davon Frauen und andere Geschlechter sowie ein Viertel Männer, von Mexiko aus nach Europa aufbrechen, um in diesem Sommer – und zwar ganz konkret am 13. August 2021 in Madrid – kund zu tun, dass sie zwar seit genau 500 Jahren kolonisiert, aber nie besiegt wurden. An diesem Tag jährt sich ein Massaker der spanischen Kolonialisten an Maya-Indigenen in Mexiko.
Die „maritime Delegation“, die noch im Juni in Vigo in Gallizien erwartet wird, kommt wie insgesamt rund drei Viertel der Maya-Delegation aus Chiapas, dem südlichsten Bundesstaat Mexikos. Dort haben sich am 1. Januar 1994 die indigenen Dorfgemeinschaften erhoben und in einem elftägigen Aufstand erklärt, sich künftig autonom, das heißt vom mexikanischen Zentralstaat unabhängig zu organisieren.
Indigene Autonomie
Seit nunmehr 27 Jahren bauen die dörflichen Gemeinschaften der „Zapatistas“, benannt nach dem mexikanischen Revolutionsgeneral von 1910, Emiliano Zapata, ihre autonomen Strukturen, Landreise und Dorfgemeinschaften auf. So verfügen sie über ein eigenes Gesundheits- und Bildungssystem, was ihnen zuvor Jahrhunderte vorenthalten wurde. Außerdem bauten sie ein basisdemokratisches Rätesystem auf, durch das sie sich erheblich besser repräsentiert sehen als durch das mexikanische Präsidialsystem. Die Zapatistas befreiten sich aus ihrer kolonial geprägten Leibeigenschaft und gründeten zusammen mit anderen indigenen Gruppen den „Nationalen Indigena-Kongress“ (CNI). Indigene aus dieser sowie aus einer weiteren Organisation, die ebenfalls Indigene verschiedener Bundesstaaten vereint (FPDTA), machen ein weiteres Viertel der Delegation aus, die im Sommer den Austausch mit Basisbewegungen in ganz Europa anstrebt.
Einladung von Basisbewegungen „von unten und links“
Eingeladen hat diese Indigenen ein breites Bündnis linker europäischer Basisbewegungen, die vor allem zu den Schwerpunkten Feminismus und Gendergerechtigkeit, Antirassismus, Antifaschismus, Klimagerechtigkeit und Antikapitalismus arbeiten und zum Teil in Alternativen Strukturen und Ökonomien leben.
In Deutschland bezeichnen die Aktivist:innen ihre Organisation als „Netz der Rebellion“. Beabsichtigt ist ein Austausch von Aktivist:innen in fast allen europäischen Ländern mit der indigenen Delegation, bei dem es um nichts weniger als um das Überleben der Menschheit und um den Schutz des selbstbestimmten Lebens gehen soll.
„Zu lange schon werden die zentralen Probleme der Menschheit weltweit ignoriert, damit die Menschen, Ressourcen und Lebensgrundlagen kapitalistisch verwertet und ausgebeutet werden können“, so die Frankfurter Aktivistin Rosa Flora, Mitglied der Gira-Vorbereitung Rhein-Main. „Solange sich niemand wehrt, wird die Naturzerstörung und die Unterdrückung und Benachteiligung von Frauen oder Indigenen weitergehen. Aber eine Gegengewalt würde die Menschheit nicht retten, der Widerstand muss intelligenter sein als die kapitalistischen und patriarchalen Aggressoren“, so die Aktivistin weiter.
„Aktionstag für das Leben“
Eine solch zivile Gegenwehr könnte in einem Verbinden von sozialen Kämpfe und kulturellen Initiativen bestehen, wie es der vergangene „Aktionstag für das Leben“ aufgezeigt hat. Das Ya Basta-Netz, das bereits seit 1995 Solidaritätsarbeit und zivilen Widerstand organisiert, veröffentlichte nun auf seiner Homepage www.ya-basta-netz.org zahlreiche Beispiele für eine solche Verbindung von Kämpfen und Kulturen. Denn in vielen Städten und Regionen in ganz Deutschland gab es Kundgebungen, Ausstellungen, Informationsveranstaltungen, Filmvorführungen, Konzerte und andere kreative Events zur Bewerbung der „Gira Zapatista – Reise für das Leben“ genannten Delegationsreise.
Ob in Hamburg, Bremen, im Wendland, in Hannover, Wolfsburg, Berlin, Leipzig, Dresden, Jena, Frankfurt/Main, Münster, Bonn, Köln, im Hambacher Wald, in Freiburg oder München: alle Aktivitäten waren mit der Forderung an die Europäische Union verbunden, den Delegierten mit ihren würdigen und berechtigten Anliegen die Einreise zu gewähren. „Es wäre eine weitere Schande Europas, wenn die Bürokratie sich gegen diese würdige Bewegung stellen und der Delegation die Einreise nach Europa verweigern würde“, so Volker Elan, Mitarbeiter in der AG Öffentlichkeitsarbeit des Koordinationskreises der „Gira Zapatista“. Die Zapatistas und die anderen Indigenen Mexikos sind mit ihrer historisch bedeutsamen Mission im „Europa von unten und links“ jedenfalls herzlich willkommen – und schon längst angekommen.